Furrer Beat Sonnleitengasse 10-12
A-3420 Kloster Neuburg
Österreich
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Genere: Musica Classica
Attività: Compositori, Interpreti
Biografia
* 06. 12. 1954.
Beat Furrer was born in Schaffhausen (Switzerland) and received his first musical training on piano at the Music School there. After moving to Vienna in 1975, he studied conducting with Otmar Suitner and composition with Roman Haubenstock Ramati at the Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. In 1985 he founded the Klangforum Wien, which he directed until 1992, and with which he is still associated as conductor. Commissioned by the Vienna State Opera, he composed his first opera "Die Blinden". "Narcissus" was premiered in 1994 as part of the Festival "steirischer herbst" at the Graz Opera. In 1996 he was composer-in-residence at the Lucerne Festival. His music theatre work "BEGEHREN" was premiered in Graz in 2001, the opera "invocation" in Zürich in 2003 and the sound theatre piece "FAMA" in Donaueschingen in 2005. In autumn 1991 Furrer became a full professor of composition at the Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz. He has been guest professor in composition at the Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt since 2006. In 2004 he was awarded the Music Prize of the City of Vienna, and in 2005 became a member of the Academy of Arts in Berlin. He was awarded the Golden Lion at the Venice Biennale in 2006 for his work FAMA.
Dort ist das Meer – nachts steig' ich hinab (1985-1986)
Strumentazione: für gemischten Chor (4444) und Orchester (3,2,4,3 - 4,3,3,1 - Schlgz(2), Klav(2), E-Org - 4,4,6,6,)
Testo: Pablo Neruda
Der Text läßt nicht etwa die Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit erklingen, sondern ist Audruck von Verzweiflung über geschehenes Unglück, Elend, als dessen stummer Zeuge der Mapocho-Strom, schneegeboren, dem Schnabel des Adlers entsprungen, sich durch das "aschene Tal" wälzt. Unerbittlichkeit und Gleichgültigkeit wird ihm zum Vorwurf. Die immer eindringlicheren Rufe des Dichters, die angstvollen Fragen, die verzweifelten Forderungen, werden mit Schweigen beantwortet.
Der Text Nerudas ist hier nicht als programmatische Vorlage zur musikalischen Komposition verstanden worden. Da lediglich Fragmente von Texten verwendet wurden, war es möglich, die Sprache der musikalischen Komposition unterzuordnen. Das Orchester-Tutti, das vom Dirigenten abhängige, synchrone Geschehen, dessen Dynamik sich meist zwischen ppppp und p bewegt, nur an einigen wenigen Stellen mit Gewalt hervorbrechend, bildet eine Schicht des Klanges, aus dessen Verlauf individuelle Stimmen "abzweigen", sich zu einem Gewebe verdichtend, den (synchronen) Tutti-Klang in den Hintergrund drängend. Diesen vom Dirigenten unabhängigen Stimmen sind eigene Tempoverhältnisse zugeordnet. Auf diese Weise ist es möglich, extrem divergierende Tempoverhältnisse, lange Spannungsbögen individueller Zeitabläufe, zu überlagern.
Strumentazione: für Violine, Violoncello und Klavier
Kein Programm – es sei vorweg genommen: die Überschrift ist nach der Komposition entstanden. - Ich spreche nicht von mir – nicht von dir, schon längst aus den Augen verloren – von der Stunde unserer geheimnisvollen Begegnung spreche ich – von jenen wie Perlen glitzernden Glasscherben am Grunde des Flusses spreche ich, die immer wieder unsere Sehnsucht wecken, die zu heben wir immer wieder aufs neue hinabsteigen, um sie, an der Oberfläche betrachtet, als bloße Glasscherben zu erkennen. – Ich spreche vom Weg zu dir, Fata Morgana, der sich verengenden Spirale, die mich von dir entfernt, unendlich kreisend um ein imaginäres Zentrum.
Das Bild der Spirale meint einen Zustand der Schwerelosigkeit, erzeugt durch die Balance von Ähnlichem und Neuem – statischen und dynamisch-zielgerichteten Modellen.
I. Zögerndes, schritt weises Ertasten des kontinuierlich sich entwickelnden harmonischen Raumes. Die Dreiteiligkeit der Form ergibt sich aus dem Bruch der Kontinuität I – III
II. Polarisiert plötzlich die klangliche und metrische Vielschichtigkeit.
III. Fortgeschrittenes Stadium von I – einzelne Stimmen gewinnen Raum – streben auseinander ohne jemals gänzlich ihre Berührungspunkte zu verlieren.
Strumentazione: für Ensemble (Fl, Klar - Schlgz- Klav - Vl, Va, Vc)
Furrer fasst in Gaspra die Instrumente zu kleinen Gruppen innerhalb des Ensembles zusammen. Neben den Tuttipassagen stechen zunächst "zwei extreme Klanglichkeiten" hervor: das knarzende, rhythmisch überdeterminierte Klavier und das rhythmisch eher verschwommene Streichtrio. Dazwischen agieren: das Duett Violoncello und Klarinette sowie das Duett Schlagzeug und Klavier. Die Geschichte, die Furrer diesen Gruppen anvertraut, wird als allmähliche Veränderung eines Ausgangsklangs erzählt.
Gaspra ist in Furrers Oeuvre in mehrfacher Hinsicht ein Neuanfang. Es ist das erste Stück, in dem er konsequent mit Geräuschklängen arbeitet, hier wurde außerdem "eine Konzeption so streng durchgeführt, wie ich das eigentlich vorher noch nicht realisiert habe" – und mit einer Rigidität, die Furrer heute ablehnt. Es ist eines der ersten Stücke, in denen er die Stimmen durch ein einheitliches Metrum synchronisiert.
In Gaspra arbeitet er auch – und das ist der wohl wichtigste Punkt – zum ersten mal mit rhythmischen Mustern, die im Laufe des Stückes die Verwandlung von einer vorgegebenen Ausgangskonstellation durchlaufen. Dazwischen fällt ein quasi-chaotisches, unvorher-sehbares Feld, worin die ursprüngliche rhythmische Gestalt aufgelöst, die anvisierte Gestalt hingegen kontinuierlich aufgebaut wird. Die Qualität der rhythmischen Felder "kippt plötzlich um, wird unberechenbar und entwickelt sich schließlich wieder in eine Richtung, dem Zielklang zu".
Gaspra ist nach einem Asteroiden von fünf Kilometern Durchmesser benannt – "einem Felsblock, Trümmer eines explodierten Sternes, der in den Gravitationsfeldern unseres Sonnensystems irrt".
Strumentazione: für Flöte, Harfe, Violine, Viola und Violoncello
Zur Komposition "cold and calm and moving" vermerkt Furrer in assoziativer Reihung:
"Vier Anfangszeilen eines Petrarca-Sonetts – Bilder der Erstarrung – werden hörend durchwandert – spiralförmig sich von einem imaginären Zentrum entfernend – Bewegung heißt hier Verschiebung der Perspektiven bzw. kontinuierliche Deformation der Ausgangskonstellationen – wie sich Perspektiven und Lichtverhältnisse für einen ständig schreitenden Betrachter eines Kircheninnenraumes verändern, so verschieben sich rhythmische bzw. harmonische Konstellationen für den Hörer..."
Durata: 25' 00" Manuscritto
Lied (1993)
Strumentazione: für Violine und Klavier
Geige und Klavier finden kein gemeinsames Metrum - in ganz leicht unterschiedlichen Tempi nähern sie sich bzw. entfernen sich wieder voneinander.
Klänge scheinen sich zu erinnern - das Anfangsmotiv aus Schuberts Lied "auf dem Flusse" (Winterreise) scheint - ohne zitiert zu werden - wie aus der Ferne hörbar.
Strumentazione: für 2 Sprecher und 26 Spieler (2,0,2,1,Sax - 2,2,2,1 - Schlgz(3), Hfe, Klav - 2,2,2,2)
Nach den "Metamorphosen" des Ovid. Deutsch von Beat Furrer.
Aus gespannt unstabilen Folgen vor Ereignissen: ein ständig rastloses Suchen als bestimmter Gestus: einmal Erreichtes wird sofort wieder losgelassen, sich etablierende Ordnungen werden sofort wieder aufgesplittert, gespiegelt, verzerrt, vervielfacht. Immer neue Perspektiven, neue Bezugspunkte verändern das Geschehen - quasi Echos in sich verändernden Räumen".
Wiederholung - Veränderung
Zielgerichtet - prozeßhaftes Streben immer wieder unterbrochen
Bewegung - zögern - wieder zurückkehren
Eine andere Fortsetzung suchen
Momentaufnahmen sich langsam verändernder Flächen - mehrschichtig - ineinander verzahnt
"Ein Lied, das über das Ende des Liedes hinaus ein anderes Ende suchte..." (Kafka)
Nach Texten von Marguerite Duras ("Moderato cantabile"), Ovid, Cesare Pavese u. a. Libretto und Übersetzung von Ilma Rakusa in Zusammenarbeit mit Beat Furrer.
Personen: Anne [Sie] (Hoher Sopran), Anne (Schauspielerin), Chauvin [Er] (Lese-Stimme)
Chor: 3 S, 3 A, 3 T, 3 B
Orchester: 2 (1. auch BFl), 1, 3 (1. und 2. auch BKlar), TSax (auch SSax), 1 (auch Kfag) – 1, 1, 1, 0 – Schlg (3) – Klav – Str (2 V, Va, Vc, KB)
Eine Stadt am Meer, irgendwo. Eine Frau, Anne Desbaresdes, Gattin eines Fabrikanten, ist mit ihrem kleinen Sohn bei einer Klavierlehrerin. Schreie auf der Strasse, in der Kneipe unten hat ein Mann eine Frau erschossen; man sagt, sie habe es von ihm verlangt. Anne betritt die Kneipe, kehrt in den folgenden Tagen immer wieder dahin zurück, unterhält sich, in kurzen Sätzen, mit einem Unbekannten über den Mord, wie es dazu kam. Die Grenzen zwischen dem fremden Schicksal und ihrem eigenen verfließen. In ihrer Beziehung zu dem Unbekannten scheint sich das Verhältnis der Ermordeten zu ihrem Mörder wiederholen zu wollen. "Dünnes Eis" trennt die Welt des kultivierten Bildungsbürgers, symbolisiert durch eine, in der wöchentlichen Klavierstunde wiederholten Sonatine Diabellis, von den Abgründen einer zerstörerischen Triebhaftigkeit, der Schrei, der Duft der Magnolien, der Wein, die Nacht .. In kräftigen Bildern, knappen Sätzen wird das Drama skizziert, dessen Ausgangspunkt das vom Schrei unterbrochene "moderato cantabile" der Diabelli-Sonatine, gespielt in der Klavierstunde, ist. Dieser noch anonyme Mord zu Beginn scheint sich dann auf einer anderen Ebene zu wiederholen. Der Klang ist bereits Bestandteil dieser merkwürdig zeitlosen Bilder: das Rauschen des Meeres, Diabellis Sonatine, der Schrei, der Lärm der anonymen Masse von Menschen auf der Strasse, in den Kneipen etc. Die Form der Erzählung, die Vorwegnahme des Schreis, der quasi als Vorwegnahme des Endes der (linearen) Erzählung erscheint, lässt diesen quasi thematisch im Raum stehen: die Erzählzeit als Perspektive eines Raumes. Die Musik soll diese sich verändernden Perspektiven (Kamera-Einstellungen) schaffen, dies entspricht meinen Vorstellungen von zeitlicher Verdichtung (Gleichzeitigkeit) linearer Verläufe (Bewegungsabläufe): Alles ist von Anfang an anwesend, Dinge (Figuren) treten hervor und wieder zurück. Während die Erzählung das Verlangen (die Haut der Protagonistin) thematisiert, wird der Fokus meines kompositorischen "Blickes" Annes Stimme sein, deren Intimität, "dramatischer" Raum zwischen kultivierter "Opernstimme" und Unmittelbarkeit eines körperlichen Ausdrucks (wie Atem, Schrei etc.).
Strumentazione: für großes Ensemble, acht Stimmen (SSAATTBB) und Schauspielerin
Testo: Ovid, Arthur Schnitzler
Ensemble: 2 (1. auch BFl, KbFl, Picc, 2. auch Picc), 1,2 (auch BKlar), TSax, 1 (auch Kfag) - 0,2,2,0 - Schlg (2) - Klav, Akk - Str (2 V, 2 Va, 2 Vc, KB
Die 3. Szene ist konzertant aufführbar.
Eine junge Frau im Spiegel "Bin ich wirklich so schön? – Bin ich das, die da redet?" Sie erfährt sich selbst über die Projektionen der Gesellschaft um sie herum, reflektiert sich im Bild der anderen. Ihre Nacktheit zeigt sie ungeschützt, schutzlos, als Gegenstand der Begierde. Ein zwanghafter Blick von außen: sie hat sich selbst noch nicht gefunden und ist sich schon fremd. Fräulein Else wird in Schnitzlers Novelle in die feine Welt eines glänzenden Hotels in den italienischen Dolomiten geschickt. Sie hat ein verzweifelt nüchternes Gespür dafür, welchen Weg ihr diese Gesellschaft vorzeichnet, in der Frauen an das Perlenhalsband gelegt werden: "Wenn ich einmal heirate, werde ich es wahrscheinlich billiger tun" – die Ehe ist nur eine andere Form von Prostitution. Flehentliche Briefe der Mutter bedrängen sie: Else soll Geld auftreiben für den verschuldeten Vater, erst dreißig-, dann fünfzigtausend Gulden. Der Gönner verlangt einen Preis, der sie in die Selbstzerstörung treibt, ein weiteres "Opfer auf dem Altar einer Welt der totalen Verdinglichung" (Furrer).
Ein atemloser Monolog, ausgestoßen in größter Bedrängnis: "Ich will fort"... Existenzielle Bedrohung ist die Ausgangssituation von Beat Furrers "Fama" – ein Vulkanausbruch, geschildert von dem römischen Dichter Lukrez – pure Zuständlichkeit, die überwältigt, bedrängt und nur noch die Flucht zulässt. "Ich höre das Schreien, das Feuer, den Atem...": ein Massiv gleißender Klanglichkeit.
Komplementär dazu die Vision eines fernen, stillen Gartens, " wo nichts als träumende Bäume wären, alle vereint in einem gemeinsamen Gedanken ..." (Carlo Emilio Gadda). Beat Furrer stellt diese Utopie in die Mitte der acht Szenen: die Sehnsucht wird im Echo eines fernen, seufzenden Pulsieren zum Klingen gebracht.
Als fernes Raunen, Tönen, Klingen resoniert im Haus der Fama jegliches Erdengeräusch und Menschengeschick. Fama, die mythische Figur, hat ein Haus gebaut "ganz aus tönendem Erz, überall hallt es, wirft die Klänge zurück und wiederholt, was es hört", wie Ovid "mit überwältigender Sinnlichkeit" (Beat Furrer) beschreibt. Das rastlose Selbstgespräch der Else ist so ein Menschenschicksal, das widerhallt – als Schrei, als verzweifeltes Geflüster, als atemloses Gestammel. Zwischen der Entrückung im Traum und bedrängter Gegenwärtigkeit oszilliert diese Figur, die nur Gedanke, Sprache ist. "Wie merkwürdig meine Stimme klingt" - der Stimme und ihren wechselnden Klanglichkeiten wird im Verlauf des Stücks immer näher gerückt, bis hin zur Großaufnahme und der klanglichen Vereinigung mit dem Instrumentalklang – und schließlich dem Verlust der Stimme: "Fama" mündet in ein instrumentales Nachbeben, das der Katastrophe folgt.
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Günther, Bernhard: Zeit im Sprung: Beat Furrer, in: Takte, Informationen für Bühne und Orchester 2 (1996), S. 16f
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